Zum 100 jährigen Jubiläum der evgl. Kirche in Friedenhorst – 4. Kapitel: Das Kirchspiel Friedenhorst

Jastrzebsko

„Zum 100 Jährigen Jubiläum der evangelischen Kirche in Friedenhorst“

  • Abschrift der zum Jubiläum am 04. August 1897 vom Ortspfarrer Oscar Illgner veröffentlichten Festschrift
  • gedruckt zu Neutomischel 1897, Druck von Otto Scheumann

Pastor Illgner geht in dieser Veröffentlichung auf die Geschichte des Kirchspiels Friedenhorst mit seinen Ortschaften ein. Einge Wörter wurden zum besseren Verständnis nach der heutigen Rechtschreibung in den Text eingebracht, in Klammern findet sich dann die „alte“ Schreibweise. Der Text wurde in die 4 Kapitel, in dem er ursprünglich verfasst wurde, geteilt. Die hier abgebildeten Postkarten wurden mit freundlicher Genehmigung von Herrn Arno Kraft, Berlin zur Verfügung gestellt und veröffentlicht.

Die digitale Version dieser Schrift ist unter Großpolnische Digitale Bibliothek zu finden.

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Die Grundlage unseres Kirchspiels ist dasselbe Privilegium von 1712, auf welchem die Buschgemeinden ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit gegründet haben. Die halbe Hufe Land, welche die Herrschaft „zur Information der Kinder und den Gottesdienst zu halten“ geschenkt hatte, wurde von Anfang an zur Einrichtung des Gottesdienstes benutzt. Es wurde ein Haus darauf gebaut, in welchem Gottesdienst gehalten und die Kinder soweit unterrichtet wurden, dass sie an dem evangelischen Gottesdienste Teil nehmen konnten. Dieses Haus wurde die „Bentschner Schule“ und die geistlichen Lehrer „Rektoren“ genannt. Sie haben zuerst sonntäglich pp. eine Predigt, wahrscheinlich aus Brostberger und später aus der hier viel verbreiteten Kleinertschen Hirtenstimme vorgelesen, den Choralgesang aus dem Züllichauer Gesangbuch geleitet und die Kinder vornehmlich im Katechismus unterrichtet; für die Herrschaft aber die Zinsbücher geführt. Die ersten Rektoren Struwe und Born waren wahrscheinlich unterrichtete Handwerker aus den Nachbarstädten und konnten keine freien Kanzelvorträge halten.

Friedenhorst 1797, erweitert 1864

Aber die Gemeinden suchten unablässig nach einen, studierten Manne, welcher ihnen Predigten halten könnte. Ob sie diesen Zweck vorübergehend erreicht haben, ist ungewiss. Sicher ist nur, dass sie im Jahre 1796 an ihr Ziel gelangten. In diesem Jahre wurde nämlich der Kandidat der Theologie Daniel Gottfried Eck, Rektor in Birnbaum, berufen. Aus seiner Bestallungsurkunde erhellt die wesentliche Bestimmung der Bentschner Schule; es heißt darin:

„Wir 4 Gemeinden haben den pp. Eck zu unserem Lehrer gewählt in dem gewissen Vertrauen, dass er uns und unsre Kinder nach der Vorschrift des göttlichen Wortes zur Seligkeit unterweisen werde“. Für ein Kind so zum heiligen Abendmahl unterrichtet wird, bekommt der Lehrer 4 gute Groschen und ein Fuder Holz. Ferner für ein Kind, das buchstabieren und lesen tut, die Woche drei polnische Groschen (2 alte Pfennige), und welches schreiben lernte, 6 polnische Groschen und von jedem Wirt, der Kinder in die Schule schickt, ein Fuder Holz.“

Diese ganze Einrichtung genügte aber den Hauländern nicht. Ihre unordinierten Rektoren konnten nur Predigten, Kirchgänge und Begräbnisse halten. Die Hauländer erstrebten aber von Anfang an einen vollständigen evangelischen Gottesdienst. Sie mussten Abendmahl, Taufen und Trauungen in der Ferne suchen. Die nächste evangelische Kirche war in Chlastawe, 1/2 Meile hinter Bentschen. Dahin mussten sie jährlich drei Mal,(nach der noch jetzt bestehenden Sitte), pilgern, um das heilige Abendmahl zu genießen. Dazu mussten sie gewöhnlich schon Sonnabends aufbrechen, um am Sonntage nüchtern und zu rechter Zeit gegenwärtig zu sein. Ebenso schwierig war es für sie, ihre Kinder auf dem langen sandigen Wege zur Tauft nach Chlastawe zu schaffen. Es wurden daher viele Kinder in der katholischen Kirche zu Bentschen getauft. Die Trauungen fanden auch meist in Chlastawe statt. Nur zuweilen sollen sie Gelegenheit gehabt haben, Taufen und Trauungen in Alt-Zinskowo vor Neutomischel verrichten zu lassen. Einer unverbürgten Nachricht zufolge soll nämlich auf dem dortigen Kirchhofe eine ganz kleine evangelische Kirche gestanden haben, wohin von Zeit zu Zeit Geistliche aus Städten der Provinz hingekommen seien.

Daher suchten die Hauländer, alle Hauländergemeinden der Herrschaft Bentschen zu einem Kirchspiele Alt-Jastrzemski zu vereinigen. Am 13. April 1779 baten Alt- und Neu-Jastrzemski, Grubski, Kunik, Deutsch-Zisken, Przychodskie, Lentschen und Amtskaßner Se. Excellenz, den Herrn Kastellan von Bentschen, Grafen Eduard Garczynski, den Sohn des Stifters, um die Erlaubnis, „einen aparten Pastor und Kirche in der Alt-Jastrzemsker Gemeinde zu haben.“ Sie berufen sich in dieser Petition darauf, dass sie sämtlich Anfangs (von Anfang an) nicht allein mündlich, sondern auch durch Suppliken gebeten haben, so auch es auch von Anfang durch Se. Excellenz gnädigen Consens schon erlaubt worden sei. In Folge dieser Petition sollen die Hauländer das Recht erlangt haben, in Alt-Jastrzemski eine allen Hauländergemeinden der Herrschaft gemeinsame Kirche zu bauen. Aber durch eine gute Bewirtung seitens der Bentschner Bürger und durch noch bessere Gründe seien die Vorsteher der Gemeinden bewogen worden, die Kirche in Bentschen zu erbauen und sich mit einer Filiale in Alt-Jastrzemski zu begnügen.

In der Tat liegt Bentschen mehr im Mittelpunkte der herrschaftlichen Hauländergemeinden als Friedenhorst. Urkundlich steht fest, dass die 4 Gemeinden in einer Verhandlung zu Bentschen am 1. Juli 1783 sich bereit erklärten, für eine in Bentschen, zu erbauende Kirche 300 Thaler beizutragen. Es wurde festgesetzt, dass der Bentschner Pfarrer an jedem vierten Sonntage im Filial Abendmahl und Gottesdienst halten und die etwaigen Taufen vollziehen sollte. Die Trauungen wurden meist in der Bentschener Kirche, die jährliche Konfirmation aber im Filial gehalten. Den Konfirmanden-Unterricht gab der Rektor und später auch der Grubsker Lehrer für seine Schulkinder. Diese Einrichtung brachte den 4 Gemeinden manche Erleichterung, aber auch viele Unkosten. In Bentschen wurde im Jahre 1783 die Kirche gebaut. Die vier Gemeinden haben die versprochenen 300 Thaler dazu beigetragen wie die Quittung des Bentschner Kirchen-Vorstandes vom 26. April 1787 beweist. Bald darauf aber, nachdem die Kirche in Bentschen fertig war, wurde zur Erhöhung der Würde des Filialgottesdienstes ein besonderes Kirchengebäude in Alt-Jastrzemski errichtet. Das Holz dazu wurde dem alten Schulhause entnommen und mit dem schlechten Reste ein apartes kleines Schulhaus erbaut. Als Erbauer der Kirche nennt man allgemein den Eigentümer Eisermann aus Amtskaßner, aber die Zeit der Erbauung ist ungewiss. Die Schulchronik nennt das Jahr 1785, aber es werden viele Zweifel darüber geäußert. So viel steht fest, dass Altar und Kanzel erst 1797 durch den Tischler Kochanke hier erbaut worden sind. In Bentschen hat die Filialgemeinde auch zum Baue des Predigerhauses beigetragen, in erster Rate 419 polnische Gulden, in zweiter 130 Thaler laut Generalquittung vom 14. Oktober 1789. Außer diesen Baubeiträgen hatte jede Gemeinde jährlich 2 Fuder Holz zu liefern. Am 1. Dezember l783 bezeugt der Bentschner Kirchenvorstand, dass jede Landgemeinde dem Prediger Hoenika bei seiner Vokation versprochen habe, ihm jährlich 2 Fuder Holz anzufahren. Alle Vierteljahre wurden Quartalgelder eingezogen. Dazu kamen die Accidenzien und Opfer. Am drückendsten waren den Wirten die zu stellenden Fuhren. Bei Begräbnissen durch den Pastor mussten 2 Fuhren, die eine zum Abholen, die andere zum Heimbringen des Geistlichen geleistet werden. Trotz dieser Opfer konnten aber die Gemeinden eine volle Befriedigung ihres religiösen Bedürfnisses durch die Filialeinrichtung nicht erlangen. Sie verloren sogar nach und nach die freie Predigt an 3 Sonntagen.

Als der Rektor Eck im Jahre 1808 als Pastor nach Bomst gegangen war, hat sich wohl kein Studierter mehr für den eingeschränkten Rektorposten gemeldet. Der Rektor Schubert wenigstens wurde nach mehrjähriger Wirksamkeit nicht Pastor, sondern Rektor in Brätz. Der seminaristisch gebildete Gerlach hat gar nicht die Kanzel bestiegen und wurde daher bald entlassen. Kadoch wurde später Bataillonsschreiber in Unruhstadt. Er hielt aber doch freie Vorträge. Der Rektor Wolf aus Sontop ebenfalls, bis ihn der Schlag rührte. Zu gleicher Zeit verbot das Königliche Konsistorium den Schulhaltern die Verrichtung geistlicher Amtshandlungen und dieses Verbot wurde durch Ministerial-Verfügung vom 21. Dezember 1826 eingeschärft. Obwohl die hohe Behörde nur die Erbauung und das konfessionelle Leben der Gemeinden im Auge hatte, so empfanden die Hauländer doch dieses Verbot als eine Einschränkung ihres kirchlichen Lebens. Sie fühlten es auch als einen Mangel, dass ihre Kinder bei der Konfirmation dem Geistlichen fremd waren, weil er ihnen den Unterficht nicht erteilt hatte. Aus diesen Gründen konnten sich die Hauländer nie mit der Filialeinrichtung befreunden. Sie erstrebten nach wie vor die Gründung eines selbstständigen Kirchspiels in Alt-Jastrzemski.

Sie schwiegen aber solange als der Senior d.i. Superintendent Sturtzel lebte, welcher vom Jahre 1803 an Pastor in Bentschen war und in hohem Ansehen stand. Erst nach seinem Tode wurde am 28. Juni 1839 in einer Versammlung aller zur Bentschener Kirche gehörigen Gemeinden durch Deputierte über die Bildung eines selbstständigen Kirchspiels in Alt-Jastrzemski verhandelt. Die vier Buschgemeinden nebst Amtkaßner petitionierten wiederholt darum, zuletzt bei Sr. Majestät dem Könige. Aber sie erhielten am 1. August und am 21 November 1839 abschlägige Antworten, weil sie die von Bentschen verlangte Entschädigung nicht zahlen konnten. Als aber der Ober-Regierungsrat Dr. Klee Chef der zweiten Abteilung der Königlichen Regierung in Posen wurde und sich bereit zeigte, neue Pfarrsysteme in der Provinz Posen zu gründen, so bestürmten unsere Hauländer die Königliche Regierung aufs Neue mit Bitten. Dieselben Männer, welche den Abfindungsprozess geleitet hatten, betrieben ebenso eifrig die Trennung von Bentschen. Sie wurden von dem Orts- und Kirchenvorsteher Gottfried Loechelt treu unterstützt. Schließlich wurde die größte Schwierigkeit dadurch beseitigt, dass die Königliche Regierung die Entschädigung des Pastors Lewecke und des Kantors Tienwiebel in Bentschen übernahm und dafür das Recht erhielt, bei jeder Pfarrwahl drei Probeprediger vorzuschlagen, aus welchen die Gemeinde zu wählen hat.

Die grundlegende Verhandlung für die Gründung eines selbstständigen Kirchspiels fand am 29. September 1853 statt. Eine Königliche Kabinetsordre bestimmt, dass aus den Gemeinden Alt- und Neu-Jastrzemski, Grubske, Kunik, Amtskaßner, Polnisch-Böhmisch und Lomnitzer Glashütte das Kirchspiel Alt-Jastrzemski gebildet werde. Die Stiftungs-Urkunde datiert vom 12. April 1854, die Bestätigung des Königlichen Ministeriums vom 15. Mai desselben Jahres. So hat sich durch Gottes Hilfe (war Hülfe) aus der sogenannten Bentschener Schule das Kirchspiel entwickelt, welches seit 1872 Friedenhorst heißt.

Wie ist es aber der Tochter der Kirche, der Schule ergangen, seitdem sie uns dem Mutterhause in das kleinere Häuschen verwiesen wurde? Ihre Ausstattung war gering, aber sie hat eine glänzende Partie gemacht. Ihr Gemahl wurde der vielvermögende Staat. Dieser hat ihr bald Raum geschafft. Im Jahre 1832 wurde der Schulzwang eingeführt. Um nun die vielen zuströmenden Kinder unterzubringen, wurde zunächst in Grubske ein neues Schulsystem gegründet. Der Grundherr, Landschaftsrat Opitz auf Lomnitz, schenkte einen großen Morgen Land vom kleinen Buchenbusch. Als im Jahre 1834 ein Schulhaus darauf gebaut wurde, so gab er auch das Holz dazu. Aber in Alt-Jastrzemski musste ebenfalls ein neues großes Schulhaus errichtet werden, um Platz zu gewinnen. Dieses Haus mussten die Hauländer ohne die Hilfe der Gutsherrschaft bauen, weil sie, um ihr Wahlrecht zu Gunsten des Andreas Hoffmann gegen den Erwählten der Herrschaft, Ferdinand Schnell, zu behaupten, derselben die Patronatspflicht erlassen hatten. Es steht heute noch, nachdem es 1867 massiv unterfangen wurde. Für die neue Schuleinrichtung mussten die Hauländer außerdem sehr große Opfer bringen.

Bisher hatten sie ihre Kinder zur Haus- und Feldarbeit, insbesondere zum Hüten gebrauchen können, denn nur im Winter wurde Schule gehalten. Viele Kinder gingen zwei Winter zur Schule, die meisten aber nur 6 Wochen vor der Konfirmation oder dem ersten Genuss des heiligen Abendmahls. Den Grund legten die Eltern und einige Winkelschulen. Aber die Kinder lernten doch jetzt mehr, besonders im Schreiben und Rechnen. Unter den 40 Alt-Jastrzemkern, welche die Petition von 1779 unterzeichneten, haben nur 5 ihren Namen unterschrieben, die andern haben unterkreuzt. Unter den Hauländern, welche der Schule ferner wohnten, hat fast keiner unterschrieben. Je mehr nun, die Hauländer ihre Kinder in die Welt schicken mussten, um ihr Brot zu verdienen, desto mehr lernten sie die größeren Schulkenntnisse schätzen. Die Kirchgemeinde hat daher ihrer Tochter, der Schule, eine reichliche Mitgift gegeben. Nur den vierten Teil der halben Hufe hat sie für sich behalten und ins Grundbuch eintragen lassen. Das Übrige wurde Kantor- und Schul-Land und als im Jahre 1888 eine neue Schule vom Staate erbaut wurde, so trat sie über drei Morgen von dem letzteren Lande an dieselbe ohne Entschädigung ab. Jetzt hat Friedenhorst eine zweitklassige Schule und zwei Schulhäuser.

Auch die Kircheneinrichtung hat sich weiter entwickelt. Der erste Pfarrer war der Pastor Emil Grützmacher. Er war Rektor in Filehne und Kandidat des Predigtamts, als er hierher berufen wurde und ist jetzt Pastor und Superintendent a. D. in Schneidemühl. Während seiner Amtsführung vom 1. September 1854 bis zum 1. April 1857 wurde ein Glockenstuhl errichtet und durch freiwillige Gaben eine Glocke angeschafft im Jahre 1855. Die Gemeinde hat ihren ersten Pfarrer mit Freuden aufgenommen und sehr ungern verloren, denn sie hat sich an seinen Predigten sehr erbaut. Nach seinem Weggange schickte das Königliche Konsistorium als Pfarrverweser den Pastor Hans  Petersen, welcher wegen seiner echt deutschen Gesinnung von den Dänen aus Schleswig-Holstein vertrieben worden war. Zu seiner Zeit 1857 erbaute die Gemeinde ein Pfarrhaus. Petersen wurde aber nicht zum Pfarrer gewählt; wahrscheinlich weil die Gemeinde seine Aussprache nicht recht verstand. Er hat als Lohn seiner Treue in seinem Vaterlande eine gute Stelle erhalten.

Die Wahl der hiesigen Gemeinde fiel auf den Pastor II und sogenannten Rektor in Schlichlingsheim Oscar Illgner. Er ist geboren in Reichenbach in Schlesien, trat das hiesige Pfarramt am 1. Mai 1858 an und verwaltet es durch Gottes Gnade noch heute. Während seiner Amtsführung ist im Jahre 1864 die Kirche durch einen Anbau mit Türmchen erweitert und das schadhafte Positiv durch eine neue Orgel ersetzt worden, Der Anbau stellte der Eigentümer Gottfried Reschke in Friedenau, die Orgel der Orgelbauer Dinse her. Im Jahre 1876 wurde auch das Pfarrhaus durch einen Anbau nach Westen zu erweitert. Im Jahre 1893 errichtete die Gemeinde einen neuen Glockenstuhl und im Jahre 1896 schenkte der Ausgedinger Wilhelm Siegmund die noch fehlende zweite Glocke. So wurde die Kircheneinrichtung vollendet durch den Sohn des Mannes, welcher mit Grunwald und Loechelt am Eifrigsten für die Errichtung des Kirchspiels gewirkt hatte, des Eigentümers Christian Siegmund hier. Gott segne ferner das Kirchspiel Friedenhorst.

Ende